Meine Geschichte zum Album
Der Erstkontakt mit Talk Talk war hochnotpeinlich*: Such a Shame! Warum astet und fakebrüllt Mark Hollis mit einem Eierwärmer auf dem Kopf im Video so herum? Seit Nana, Taddel und Mel aus Hartz und Herzlich weiß ich, dass die Eierwärmer größer und mittlerweile auch von Frauen getragen werden. Such a Shame, das offizielle Video dazu und It’s my life, garantiert alles in der Musiksendung Formel 1 gesehen, sorgte dafür, dass Talk Talk auf meinem persönlichen Index landete.
Eine Meinung ist dazu da, geändert zu werden. Wohl weil ein Schnapper, erwarb ich das Digitalalbum The Very Best of Talk Talk. Es war Give It Up und Life’s What You Make It das mich einsehen ließ den Bann zu lösen und Talk Talk wohl unrecht angetan zu haben. 2019 starb Mark Hollis und die Kenner der Kenner erhoben ihn zum Genie. Mit der Vinylothek kamen auch vier Talk Talk – Langspieler dazu, einschließlich meiner einstigen Hasskappe It’s my life. Ich musste feststellen, dass Talk Talk mehr als das Gezappel war, mit dem ich vor Jahren nichts anfangen kann.
The Colour of Spring halte ich für das stärkste meiner vier Talk Talk-Alben. Alle acht Titel sind dazu geeignet, wirklich allein mit sich selbst zu sein und hörgefühlsmäßig nicht überfordert zu sein. Still wie Spirit of Eden und laut wie It’s my Life geht eben anders und doch ist das Gehörte schön. Mit der Einsicht muss ich nur noch eines tun: Sorry Mark Hollis. Das soll nie wieder vorkommen. Als Beweis für meine tiefe Reue kaufe ich The Very Best of Talk Talk als Doppel-LP – Version.
Kurzrezension
Das Album The Colour of Spring markiert einen Wendepunkt in der künstlerischen Entwicklung von Talk Talk. Mit ihm entfernt sich Talk Talk spürbar vom Synthpop und schuf ein Werk, welches sich zwischen Art-Rock, Elementen des Jazz und experimentellem Pop bewegt. So verbindet Life’s What You Make It Eingängigkeit mit Tiefe, während Chameleon Day oder April 5th den Weg in die sphärische Klangwelt des Nachfolgealbum Spirit of Eden erahnen lässt. Statt kaltem Elektroniksound überrascht The Colour of Spring mit seiner natürlichen Instrumentierungen und vielen Details in einer spirituell erscheinenden Atmosphäre. The Colour of Spring ist ein zeitloses wie auch emotionales Erlebnis, das wächst, je öfter man es hört.
* Hochnotpeinlich ist als schmerzhaft, scharf und/oder Tortur zu verstehen. Wer es immer noch nicht begriffen hat, vielleicht hilft das Stichwort Folter weiter.